Stadtchronik Seelow
Die Besonderheiten der Mediatstädte
Die Unterteilung der brandenburgischen Städte in Immediat- und Mediatstädte hatte sich seit dem 14. Jh.
herausgebildet. In beiden Begriffen steckt das lateinische Wort medius = in der Mitte stehend, mittelbar. Die
Immediatstädte waren den Kurfürsten bzw. seit 1701 den Königen direkt, also unmittelbar untergeordnet; die
unmittelbare Obrigkeit der Mediatstädte war dagegen eine adlige Herrschaft oder ein Domänenamt, so das diese
dem Landesherren nur mittelbar unterstanden. Am Beginn des 18. Jh. wurde für die Domänen ein Zeitpachtsystem
mit sechsjährigen Pachtperioden eingeführt. Die Domänen kamen als Ganzes an einen Generalpächter, dem es
freigestellt war, die einzelnen Domänenvorwerke (auch in Seelow bestand ein solche) an Unterpächter auszugeben.
Die Generalpächter nahmen nun auch die obrigkeitlichen Befugnisse im Domänenbereich wahr. Die Mediatstädte
wurden zum platten Land gerechnet und ihre Bürger mussten alle Lasten und Abgaben desselben tragen, sie waren
wie die Dorfbewohner hörige, in ihrer persönlichen Freiheit beschränkte Untertanen einer adligen Herrschaft oder
eines landesherrlichen Amtes. Bis auf wenige Ausnahmen hatten die Mediatstädte keine eigene Gerichtsbarkeit,
sondern unterlagen der Rechtsprechung ihrer Herrschaften bzw.Ämter, denen ebenfalls die Bestätigung und vielfach
auch das alleinige Ernennungsrecht der Magistratsmitglieder zustand. Die Mediatstädte unterstanden jedoch nicht
allein den Domänenbehörden. Im letzten Drittel des 17. Jhs. war für die Städte eine besondere Steuer eingeführt
worden, die sog. Akzise. Sie war eine indirekte Verkaufs- und Gewerbesteuer. Die Verwaltung dieser neuen Steuer,
die zuerst noch den Städten überlassen worden war, ging bald völlig an staatliche Organe über. Steuerräte
beaufsichtigten die Erhebung der Akzise in Amtsbezirken, denen in der Regel 9 bis 16 Städte zugeordnet waren.
Seelow stand unter dem Steuerrat Frankfurt (O). Da die Höhe der einkommenden Akzise vor allem vom Florieren
von Handel und Gewerbe und von der Bevölkerungszahl der Städte abhing, wurden die Steuerräte allmählich mit
der Aufsicht über immer mehr innerstädtische Angelegenheiten beauftragt, so dass sie bald die gesamte städtische
Verwaltung beaufsichtigten. Mediatstädte ohne eigene Gerichtsbarkeit standen in erster Instanz unter den
Patrimonialgerichten der Ämter bzw. der adligen Herrschaften. Auch Mediatstädte mit eigener Gerichtsbarkeit
unterstanden in Domänenangelegenheiten den Patrimonialgerichten, nur in Zivilangelegenheiten waren sie direkt
dem Berliner Kammergericht untergeordnet.
Die Seelower Stadtverwaltung im 17. und 18. Jahrhundert
Für die Zeit bis zum Ende des 17. Jh. sind keine sicheren Nachrichten zur Seelower Stadtverwaltung überliefert.
Aus dem dazu nur spärlich vorhandenen Aktenmaterial kann man lediglich entnehmen, dass Seelow einen,
zuweilen auch zwei Bürgermeister hatte. Auch ein Ratskollegium existierte, dessen nähere Zusammensetzung,
Rechte und Pflichten jedoch unklar sind. Für das 18. Jh. erlauben die vorhandenen Quellen einen näheren
Aufschluss. Im Jahre 1730 bestand der Seelower Magistrat aus einem Bürgermeister und vier Stadtverordneten, die
von den Bürgern vorgeschlagen, vom Magistrat ausgewählt und vom Steuerrat bestätigt wurden. Die Acker- und die
Kleinbürger waren durch je einen, die Mittelbürger als die ursprünglich zahlreichste Schicht durch zwei
Stadtverordnete vertreten. Dass die Stadtverordneten zum Magistrat gehörten, ist eine Besonderheit Seelows
gegenüber anderen Städten. In der Regel erfolgte alle drei Jahre eine Ablassung der Stadtverordneten.
Die Besoldung der Magistratsmitglieder floss vor allem aus den Kämmereieinnahmen. Die Seelower Kämmerei besaß
keine liegenden Gründe. Zu ihren Einnahmen zählten die städtischen Abgaben der Einwohner, die Bürger- und
Meisterrechtsgebühren, die Zeitpacht für den Ratskeller, das Städtegeld von den Jahrmärkten und Gebühren für das
Recht zum Bierausschank außer Haus. Daraus ergaben sich Ende des 18. Jhs. Einnahmen von jährlich 251 Talern, 20
Groschen und 6 Pfennigen, denen Ausgaben von 231 Talern und 16 Groschen gegenüberstanden, so dass ein
Überschuss von 20 Talern 4 Groschen und 6 Pfennigen vorhanden war. Da aus den Kämmereieinnahmen die
Unkosten der Verwaltung und des Rechnungswesens der Stadt gedeckt werden mussten, ist es erklärlich, dass die
Besoldung des Bürgermeisters und der Magistratsmitglieder sehr niedrig war.
Der Bürgermeister bekam ein Jahresgehalt von 16 Talern und für die Ausgaben in Amtsangelegenheten zusätzlich 8
Taler. Zu seiner Vergütung gehörten ferner Zuführungen von Jahrmarktsgeldern, Untersuchungskosten, Miet- und
Brennholzgeldern und andere kleine Einnahmen, die zusammen 68 Taler ausmachten, so dass der Bürgermeister
insgesamt 92 Taler jährlich erhielt. Jeder der vier Stadtverordneten bekam jährlich 2 Taler.
Bei einer Mitte des 18. Jhs. vorgenommenen Überprüfung konnte man in Seelow keinerlei Dokumente vorweisen,
die darauf hingedeutet hätten, dass die Bürger jemals ein Wahlrecht für den Magistrat besaßen. Daher galt für
Seelow die schon am 4. Oktober 1722 durch eine königliche Kabinettsordre erfolgte Regelung für die Besetzung der
Magistratsstellen in den Amtsstädten.
Obergewalt war damit ausgeschaltet. Der lutherische Katechismus wurde als
für alle Einwohner der Mark verbindlich eingeführt. Der Grundbesitz der
katholischen Kirche, darunter die Bisitztümer Brandenburg, Havelberg und
Lebus, fiel an den Landesherren und wurde der kurfürstlichen
Domänenverwaltung (von dem lateinischen domus = Haus) unterstellt.Die
Säkularisierung des Bistums Lebus erfolgte schrittweise und war erst
1598 mit der Überführung der bischöflichen Tafelgüter in den
landesherrlichen Dominoalbesitz abgeschlossen. Aus den Besitzungen des
Bistums wurden zwei landesherrliche Ämter, Lebus und Fürstenwalde,
gebildet. Die Seelower Einwohner waren nun nicht mehr bischöfliche,
sondern landesherrliche Untertanen, Seelow war eine landesherrliche
Mediatstadt geworden, die dem Amt Lebus unterstand. Im Jahre 1731 wurde
das Amt Lebus in die Ämter Lebus, Wollup und Golzow aufgeteilt und Seelow
gehörte nun zum Amt Golzow, ab 1737 dann zu dem neu eingerichteten Amt
Sachsendorf.
Mitte des 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts
Die landesherrliche Mediatstadt - Von der bischöflichen zur landesherrlichen Mediatstadt
von Prof. Dr. phil. habil. Klaus Vetter
Obwohl Kurfürst Joachim I. (1499-1535), der ein entschiedener Gegner der Reformation war, am 11. Juli 1535
seinen Söhnen auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen hatte, der katholischen Kirche treu zu bleiben,
traten sowohl Kurfürst Joachim II. als auch sein jüngerer Bruder Johann (Herzog der bis zu seinem Tode im Jahre
1571 selbständigen Neumark) zum Luthertum über. Beide hatten erkannt, dass es schwierig sein würde, die
reformatorische Strömung auf Dauer einzudämmen, und sie hatten auch begriffen, dass der Übertritt zur
Reformation ihnen erheblichen politischen und wirtschaftlichen Nutzen bringen würde. In der Neumark begann die
Einführung der Reformation im Jahre 1538, in der Kurmark mit der Jahreswende 1539/40. Die von Kurfürst
Joachim 1540 erlassene Kirchenordnung unterwarf die Kirche dem Landesherren.
Danach sollten der Steuerrat und der Magistrat dem Amt zwei
geeignete Personen für eine freie Stelle vorschlagen, von denen
dieses einen Mann auszuwählen und nach der Bestätigung durch die
Kammer zu vereidigen und einzusetzen hatte. Der Kämmerer wurde
allerdings ohne Zuziehung des Amtes allein durch den Steuerrat
bestellt.
Im Unterschied zu den meisten Mediatstädten besaß Seelow die
Zivilgerichtsbarkeit in erster Instanz, die bis um die Wende vom 16.
zum 17. Jh. ein Erblehnrichter ausübte. Danach fiel die
Gerichtsbarkeit an den Magistrat. Da bei einer 1770 durchgeführten
Überprüfung der Bürgermeister Paetsch keine juristischen Kenntnisse
nachweisen konnte, wurde ihm das Richteramt abgenommen, mit
dessen Wahrnehmung von nun an mit kurzen Unterbrechungen
auswärtige Beamte beauftragt wurden.
Die Entwicklung der Einwohnerzahl und die sozialen Verhältnisse der Stadtbevölkerung
Die Einwohnerzahl Seelows ist bis zum ersten Drittel des 18. Jahrhunderts nicht exakt zu bestimmen, sondern
kann nur aus Überlieferten Steuerzahlerlisten, Prozessakten, Bürgereingaben und anderen verstreuten Quellen
annähernd berechnet werden. Seelow hatte 1581 etwa 600, 1624 etwa 670 Einwohner. Während des
Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) hat die Stadt schwer gelitten und wurde mehrmals fast ganz abgebrannt.
Zwischen 1631 und 1634 sollen in Seelow und umliegenden Dörfernüber 2000 Menschen an der Pest und anderen
Epidemien gestorben und die Stadt zeitweise völlig menschenleer gewesen sein. Der Bevölkerungsverlust ist aber
überraschend schnell ausgeglichen worden und 1714 hatte die Stadt mit etwa 824 eine größ;ere Einwohnerzahl als
vor dem Krieg. Nach den seit 1730 vorliegenden statistischen Angaben stieg die Einwohnerzahl von 972 in diesem
Jahr über 1169 im Jahre 1770 auf 1400 im Jahre 1800.
Die Einwohner mit Bürgerrecht waren in Acker-, Mittel- und Kleinbürger unterteilt, die in ihren Lebensbedingungen
weitgehend den Bauern, Kossäten und Büdnern der Dörfer glichen. Ein nicht unwichtiger Unterschied bestand
allerdings in dem Recht der Bürger, Handel zu treiben und ein Gewerbe ausüben zu dürfen. In der Mitte des 18.
Jhs. gab es in Seelow 20 Ackerbürger, die sich ausschließlich von der Landwirtschaft ernährten. Die 76 Mittelbürger
verfügten nur über unbedeutenden Landbesitz, betrieben daher die Landwirtschaft nur als Nebengewerbe und
übten fast alle ein Handwerk aus. Die Kleinbürger hatten sich als besondere Gruppe der Bürgerschaft erst im 17.
Jh. herausgebildet. Neben einem Haus besaßen sie nur kleine Gärten und ernährten sich als Handwerker oder
Tagelöhner. In der Mitte des 18. Jh. gab es 83 Kleinbürger.
Neben den Bügern lebten in der Stadt sog. Einlieger, die kein Bürgerrecht hatten, keine Liegenschaften besaßen
und bei Bürgern zur Miete wohnten. Im Unterschied zum Gesinde führten sie jedoch einen eigenen Hausstand.
Einige Einlieger waren Handwerker, die meisten gingen Tagelöhnerarbeit nach. Um 1800 gab es in Seelow 33
Einliegerhaushalte, 26 Handwerksgesellen, 88 Knechte, 46 Mägde und 42 Dienstjungen.
Gewerbe und Handel
Gewerbe und Handel Seelows waren vor allem für die Eigenversorgung der Stadt und bestenfalls für die nähere
Umgebung von Bedeutung. Die Seelower Handwerker produzierten gegenüber denen der Immediatstädte und
gegenüber den Landhandwerkern unter erschwerten Bedingungen, da sie die Lasten der Städte und des platten
Landes tragen mußten. Es gelang daher auch nicht, spezialisierte Gewerbe anzusiedeln. Eigene Zünfte hatten in
Seelow nur die Garnweber, Schneider, Schmiede und die Schlosser. Die meisten Handwerker gehörten den Zünften
von Frankfurt(O), Müncheberg und Fürstenwalde an. Am Ende des 18. Jhs. gab es in Seelow 34 Leineweber, 25
Schuhmacher, 19 Schneider, 7 Bäker, je 3 Böttcher, Fleischer, Riemer und Schlosser, je 2 Chirurgen, Hufschmiede,
Maurer, Seiler, Stellmacher und Töpfer sowie je 1 Drechsler, Fäber, Glaser, Hutmacher, Müller, Nadler und
Zimmerer.
Einen herben Rückschlag in der städtischen Entwicklung brachte der schwere Stadtbrand des Jahres 1788. Am 8.
Februar war in einer Schmiede am östlichen Stadtrand ein Feuer ausgebrochen, das sich rasch in Richtung
Innenstadt verbreitete. 72 von 210 Häusern und ebenso viele Wirtschaftsgebäude wurden ein Raub der Flammen.
Der Schaden war deshalb so immens, weil die meisten Häuser in Seelow in Fachwerk errichtet und ein Stroh- oder
Rohrdach hatten. Nur zehn Häuser in der ganzen Stadt waren massiv erbaut.
Bei Seelow lagen zwei Amtsmühlen, die zumeist an einen Müller in Erbpacht gegeben wurden.
Die handeltreibenden Einwohner der brandenburgischen Mediatstädte unterschieden sich wesentlich von den
kaufmännisch orientierten Oberschichten der größeren Handels- und Gewerbestädte. In Seelow gab es am Ende
des 18. Jhs. nur drei Materialisten, die vor allem Haushaltswaren verkauften, einen Apotheker, einen Gastwirt und
den Nadler, der Handel mit Nahwaren trieb.
Auch die Bierbrauerei und die Branntweinbrennerei waren in Seelow ohne größere Bedeutung. Die Lebuser
Amtsbrauerei und das relativ stark entwickelte Brauereigewerbe in Fürstenwalde und Müncheberg erstickten die
Die feudalen Belastungen der Seelower Bürger
Im ersten Drittel des 16. Jh. begann in der Mark Brandenburg die Herausbildung der Gutsherrschaft, die nach
dem Dreißigjährigen Krieg im wesentlichen abgeschlossen war. Wie für die Bauern und Kossäten der Dörfer
brachte diese Entwicklung für die Seelower eine merkliche Verschlechterung ihrer Lebensumstände. Sie verloren
ihre persönliche Freiheit und sanken zu hörigen Untertanen des Domänenamts herab, die zu drückenden Diensten
und Abgaben verpflichtet waren. Die Ackerbürger wurden zur Verrichtung von Spanndiensten mit Zugvieh, Wagen
und Ackergeräten, die Mittelbürger und Kleinbürger zu Handdiensten gezwungen.
Diese feudale Offensive wurde von den Seelowern nicht widerstandslos hingenommen. Als Kurfürst Friedrich
Wilhelm zum Beispiel 1643 nach einem Ritt durch die Seelower Feldmark befahl, einen zum Vorwerk gehörenden
Weinberg, der völlig verwildert war, in Pflege zu nehmen, leisteten die Seelower dieser Anordnung nicht Folge,
weil dies bis dahin nicht zu ihren Verpflichtungen gehört hatte. Darauf wurden der Bürgermeister und einige
Bürger festgenommen und solange im Amt Lebus in Gewahrsam gehalten, bis sie sich zur Bearbeitung des
Weinbergs bereit erklärten.
In der zweiten Hälfte des 18. Jhs. verging kaum ein Jahr, in dem die Seelower Bürger nicht Beschwerdeschriften
wegen der Erhöhung der Dienste bei den landesherrlichen Behörden oder beim Landesherren selbst einreichten.
Zugleich bereiteten sie dem Amt durch schlechte Dienstausführung ständig Schwierigkeiten. So erklärte der
Seelower Amtsschreiber am 26. Juli 1674 in einem Bericht, dass “die Seelower Untertanen sich im Dienen sehr
ungetreu und unfleßig erwiesen haben... Es haben aber die Untertanen und deren Knechte, vielleicht auf Geheiß
ihrer Herren, ihm allen Widerwillen erwiesen”
Zuweilen mündeten diese Konflikte in gewaltsamen Widerstand. Als am 31. Mai 1688 einige Dienstboten der
Ackerbürger zu spät zum Dienst antraten, peitschte sie der Vogt auf Befehl des Vorwerkspächters aus. Der
Dienstjunge des Ackerbürgers Caspar Weinbergk lief davon und trug seinem Herren das Geschehen vor. Dieser
eilte sofort mit seinem Bruder Valthin auf das Feld, um den Vogt zur Rechenschaft zu ziehen. Der Vogt sagte
später aus: Und Caspar Weinbergk zu ihme gesprochen, Du Koklplättiger Schelm, worumb hastu meinen Jungen
geschlagen, worauff Valthin Weinbergk geschrien, schlage drauf, womit Caspar Weinbergk mit dem Stocke Ihm
im Kopfe geschlagen, undt da er sich dann mit der Peitsche gewehret, wehre er ihm in die Arme gefallen, die
Peitsche gehalten, da dann Valthin Weinbergk ihm von hinten zugefaßet, nieder geworfen, daselben
festgehalten, dan aber wieder ihn mit beiden Beinen getreten, den Arm lahmgeschlagen, den Kopf voller
Wunden.
Die preußischen Reformen am Beginn des 19. Jahrhunderts
Im Jahre 1806 hatte Preußen eine vernichtende Niederlage gegen das napoleonische Frankreich erlitten. Um
Voraussetzungen für den Wiederaufstieg Preußens und einen erfolgreichen Kampf gegen die napoleonische
Vorherrschaft zu schaffen, wurden in Preußen zwischen 1807 und 1816 grundlegende Reformen durchgeführt,
mit denen der Übergang von einer spätfeudalen zu einer bürgerlichen Ordnung begann, der sich dann im 19. Jh.
in mehreren Etappen vollzog. Für die Seelower hatten drei Reformmaßnahmen besondere Bedeutung. Die
Agrarreform, die Städtereform und die Gewerbeordnung.
Mit dem Edikt den erleichterten Besitz und freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen
Verhältnisse der Landbewohner betreffend vom 9. Oktober 1807, dem berühmten Oktoberedikt wurden die
Seelower Bürger wie alle Büprger von Mediatstädten und Landbewohner, die ihre Grundstücke zu Erbrecht
besaßen, aus der Gutsuntertänigkeit befreit. Sie waren nun keine hörigen, in ihrer persönlichen Freiheit
beschränkten Untertanen mehr, sondern persönlich freie preußische Staatsbürger. Für die Gutsuntertanen mit
nichterblichem Besitz wurde das Edikt erst mit dem Jahre 1810 wirksam.
Allerdings begründete das Oktoberedikt nur die persönliche Befreiung. Das Land blieb weiterhin das Eigentum
der Ämter bzw. Adligen. Die Seelower wirtschafteten und wohnten also weiterhin auf Amtsland und mußten dem
Amt als Obereigentümer wie bisher Frondienste leisten und Abgaben entrichten. Die Ablösung der Dienste und
Abgaben und die Herstellung des vollen Eigentumsrechts der Bürger über Grund und Boden erfolgte erst durch das
sog. Gegen Abtretung eines Drittels ihres Landes oder Zahlung des entsprechenden Geldwertes wurden die aus
der Feudalzeit überkommenen Dienste und Abgaben abgelöst und die Seelower Bürger wurden wie alle erblichen
Besitzer von gutsherrschaftlichem Land freie Eigentümer ihrer Grundstücke und des dazu gehörenden Bodens.
Die am 19. November erlassene Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie, schränkte den
unmittelbaren Einfluss des Staates auf die innerstädtischen Verhältnisse ein, erweiterte die bürgerlichen Rechte
und gab den Bürgern damit günstigere Entwicklungsbedingungen. Der Steuerrat, das Organ des absolutistischen
Staates zur Überwachung und Reglementierung der Städte, wurde abgeschafft; der Staat behielt nur das oberste
Aufsichtsrecht. Die Mediatrechte der adligen Herrschaften und der Domänenämter erloschen, die Mediatstädte
wurden nun den Immediatstädten gleichgestellt. Die kommunale Verwaltung übten fortan die Städte selbst aus.
Wie alle Stadtgemeinden erhielt Seelow die Autonomie für Haushalt und Steuersachen, für die Armenfürsorge
sowie für das Kirchen-, Schul- und Gesundheitswesen. Während vorher das Bürgerrecht ein Privileg war, musste
es nun jedem unbescholtenen Einwohner verliehen werden. Jeder Bürger, der über Grundbesitz oder über ein
Einkommen von mindestens 150 Taler jährlich verfügte, besaß das aktive und passive Wahlrecht. Er wählte eine
Stadtverordnetenversammlung in gleicher und geheimer Wahl, deren ehrenamtliche Mitglieder als
Repräsentanten der ganzen Gemeinde galten. Die Stadtverordneten wählten einen Magistrat als ausführendes
und verantwortliches Organ der städtischen Selbstverwaltung. Die Wahl des Magistrats bedurfte allerdings der
Bestätigung durch die oberste Provinzialbehörde. Die von den Aktivbürgern gewählten Stadtverordneten konnten
durch die Wahl des Magistrats, durch die Bestätigung des Haushalts der Stadt und durch ihr Recht auf Kontrolle
des Magistrats entscheidenden Einfluss auf die Stadtverwaltung nehmen.
Von großer Bedeutung für die freiere Entfaltung von Handel und Gewerbe waren auch das Gewerbepolizeigesetz
vom 7. September 1811 und das Edikt über die Gewerbesteuer vom 2. November 1811. Das Edikt über die
Gewerbesteuer führte eine allgemeine Steuerpflicht ein, auch für Adlige, die auf ihren Gütern Gewerbe
ausübten oder ausüben ließen. Das Gewerbepolizeigesetz beseitigte den Zunftzwang und stellte die vollständige
Gewerbefreiheit her. Nunmehr durfte jeder Staatsbürger, sofern er eine Gewerbesteuer bezahlte, ohne
Einschränkung ein Gewerbe betreiben, womit auch ein wichtiger Schritt zur Angleichung von Stadt und Land
getan war, denn bis dahin hatten die Städte ein nahezu ausschließliches Privileg für die gewerbliche Produktion
besessen.
Mit den Reformen zu Beginn des 19. Jhs. begann auch für Seelow ein völlig neuer Entwicklungsabschnitt. Das
Feudalzeitalter ging endgültig zu Ende, die bürgerlich-kapitalistische Form des Zusammenlebens der Menschen
hatte begonnen.
eigene Entwicklung. Um 1800 besaßen in Seelow vier Bürger das Brauereirecht,
die aber nur wenig brauten, da sie starke Absatzschwierigkeiten hatten. Zur
gleichen Zeit gab es nur einen Branntweinbrenner.
Von überregionaler Bedeutung waren die Seelower Vieh- und Pferdemärkte, die
viermal jährlich stattfanden und zu den bekanntesten der Mark Brandenburg
gehörten. Um 1800 wurde das Marktreiben so stark, dass sich der Magistrat 1801
genötigt sah, bei der Kriegs- und Domänenkammer, der obersten
Provinzbehörde, einen Antrag auf Entsendung eines Militärkommandos zur
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung an Markttagen zu richten, dem
auch stattgegeben wurde.
Von den Viehmärkten abgesehen war Seelow -wie andere Mediatstädte auch-
kein wirtschaftliches Zentrum der näheren Umgebung. Die ländliche Bevölkerung
kaufte Waren, die im Dorf nicht zu bekommen waren, lieber in den größeren
Immediatstädten, wo Handel und Gewerbe ein höheres Niveau besaßen. Die
Handwerker gingen dort ausschließlich ihrem Beruf nach, besaßen größere
Fertigkeiten und lieferten bessere Produkte. Zudem waren dort auch
spezialisierte Gewerbe vorhanden, die es in den Mediatstädten nicht gab.
Die seit dem letzten Drittel des 17. Jhs. einsetzende merkantilistische Wirtschaftspolitik des brandenburgisch-
preußischen Staates brachte für Seelow und die anderen Mediatstädte keinen bemerkenswerten
wirtschaftlichen Aufschwung, da sie sich vor allem auf die größeren Städte orientierte. Zudem traf diese Politik
auf den Widerstand der rein agrarisch orientierten Ämter bzw. der adligen Herrschaften, die durch die
Föderung von Handel und Gewerbe eine Einschränkung ihrer auf feudale Verhältnisse begründeten Gerechtsame
und Einnahmen befürchteten. Die preußischen Könige unternahmen im 18. Jh. nichts, um die Bürger der
Mediatstädte aus ihrer feudalen Untertänigkeit zu befreien, da deren Frondienste und Abgaben oft von
entscheidender Bedeutung für die landesherrlichen Ämter und damit für den Erhalt einer wichtigen Geldquelle
waren.
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